Nach der spannenden US-Wahl, welche den neuen “President elect” Joe Biden hervorgebracht hat, muss sich die EU erneut der Frage widmen, wie das transatlantische Verhältnis zu bewerten ist.
Im Zuge der lauthals geforderten Aufstockung des Militärbudgets von US- amerikanischer Seite, vor allem seitens Deutschlands aber auch anderer europäischer Staaten, hinsichtlich des NATO-Bündnis, kam erneut die Debatte zur europäischen (Verteidigungs-) Armee auf. Auch wenn der Schutz der NATO, vor allem durch das militärische Engagement der USA, bis heute ein Garant für die Sicherheit der EU ist, darf uns diese Tatsache nicht die Augen vor unserer Abhängigkeit von den USA verschließen lassen. Wir knüpfen hier an einen Beschluss der JEF Deutschland aus dem Jahr 2015 an. Dort heißt es hinsichtlich militärischer Herausforderungen, wie es beispielsweise die Verteidigungskapazitäten einiger Länder und der Konflikt in der Ukraine sind:
“Die Lösung dafür (für militärische Herausforderungen Europas) darf aber nicht immer der Verweis auf die NATO sein, sondern er muss durch ein gemeinsames europäisches Vorgehen erfolgen.”
Schon damals forderten wir die Verteidigungsminister*innen der EU-Staaten dazu auf, Anstrengungen hinsichtlich einer gemeinsamen und europäischen Verteidigungsstrategie zu unternehmen. Viel passiert ist seitdem, trotz Donald Trump und dem politischen Erdbeben, welches seine Wahl und seine Präsidentschaft ausgelöst hat, nicht.
Zwar gibt es bestehende Politikbereiche der Europäischen Union wie die “Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik” (GASP) und “Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik” (GSVP), diese haben die EU jedoch nicht in einen eigenständigen Sicherheitsakteur verwandelt. Deshalb sollte die deutsche Ratspräsidentschaft diese beiden Politikbereiche weiter voranbringen und einen Prozess lostreten, der die Integration und den Weg zu einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik bereitet. Dadurch würde Europa bei seinen Bündnispartner*innen als verlässlicher Partner – auch in Sicherheitsfragen gesehen werden. Wir fordern nicht, die NATO zu verlassen. sondern, dass wir uns als Europäische Union durch Gründung einer Europäischen Verteidigungsarmee dazu befähigen, alleine für den militärischen Schutz unserer Union Sorge zu tragen. Das NATO – Bündnis bleibt ein effektives Schutzschild vor ausländischen Aggressoren und durch die vielen Mitglieder, ein starkes Bündnis.
Selbstverständlich sind wir froh und erleichtert ob des Sieges von Joe Biden über Donald Trump. Joe Biden ist erklärter Transatlantiker und wird das us-amerikanische Verhältnis zur EU positiv wiederbeleben wollen. Mit Joe Biden haben die US-Amerikaner*innen zudem einen Präsidenten gewählt, welcher Erfahrungen auf dem internationalen Parkett hat und, aller Voraussicht nach, respektvollen Umgang über Geschrei und Anfeindungen stellen wird.
Trotzdem muss sich Europa bewusst sein, dass es dennoch keine Rückkehr zum Verhältnis vor 2017 geben wird. Europa und auch die deutsche Ratspräsidentschaft dürfen nicht zulassen, dass sie als Spielball von Amerika oder China fungieren, sondern selbst als eine starke Einheit auftreten. Europa muss die Chance ergreifen auch selbst Forderungen an beide Handelspartner zu formulieren. Dabei muss jedoch behutsam vorgegangen werden, um sich nicht auf eine Seite zu schlagen.
Deshalb erkennen wir es als notwendig an, dass die EU das transatlantische Bündnis dahingehend neu bewertet, als dass wir uns von den USA unabhängiger machen, so wie es auch im Programm der deutschen Ratspräsidentschaft geschrieben steht.
Die deutsche Ratspräsidentschaft muss den Weg ebnen für Gespräche mit den USA auf Augenhöhe und trotzdem als ein selbständiger Akteur bei Verhandlungen und Entscheidungen agieren. Gespräche über neue transatlantische Beziehungen sind aktuell wichtiger denn je, um auch gemeinsam gegen in den aktuellen Krisen handlungsfähig zu bleiben. Wir fordern deshalb, dass der deutsche Außenminister als Vorsitzender der europäischen Außenministerkonferenz in den Gesprächen darauf verweisen sollte, dass Europa nicht noch einmal in eine Schockstarre verfallen darf, wenn ein Bündnispartner*in nicht handlungsfähig bzw. unzuverlässig erscheint. Wir müssen uns auf unsere eigenen Werte berufen und diese auch von den Bündnispartner*innen einfordern, sowohl in Richtung USA als auch in Richtung China’s und insbesondere auch innerhalb der EU.
- In Bezug auf die transatlantischen Beziehungen hat am 02. Dezember auch die EU Kommission eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der sie skizziert, dass die EU mit den USA zukünftig in vier Bereichen verstärkt zusammenarbeiten will.
- (1) Eine verstärkte Kooperation im Bereich der Pandemiebekämpfung hinsichtlich der aktuellen und zukünftiger Pandemien. Dieser Bereich umfasst neben der Öffnung der Gesellschaft und Wirtschaft nach erfolgreicher Bekämpfung der COVID-19-Pandemie auch die Verbesserung diverser Aspekte wie etwa der Verteilung von medizinischen Gütern sowie eine Reform der WHO.
- (2) Zusammenarbeit zum Schutze der Umwelt. So soll sich in Zukunft gemeinsam unter anderem dafür eingesetzt werden, dass weltweit die Wälder aufgeforstet werden und bis 2050 Co2-Neutralität erreicht werden soll.
- (3) Auch soll in puncto Technologie und Handel zusammengearbeitet werden. Hier wird angestrebt, “Handelsirritationen” zu beseitigen, an einer fairen Besteuerung von Unternehmen zu arbeiten und sich über kritische Technologien, wie etwa künstliche Intelligenzen, dem Austausch und der Regulierung von Daten auszutauschen und gemeinsame Ansätze zu finden.
- (4) Zudem wird auch der obligatorische Anspruch aufgenommen, die Welt gemeinsam sicherer, fortschrittlicher und demokratischer zu machen.
Oftmals werden die westlichen Werte beschworen, welche nun wieder geteilt und verbreitet werden können. Wir sind hierzu gespaltener Ansicht. Natürlich sollen die USA und die EU gemeinsam auf der Weltbühne für Menschenrechte, Wohlstand und Frieden eintreten. Dennoch dürfen wir dabei nicht vergessen, dass es auch innerhalb der Union und Vereinigten Staaten teils massive Verstöße gegen eben diese Werte gibt. Es gilt also, sich selber zu verbessern, Verstöße gegen diese Rechte und Werte nicht nur außerhalb anzuprangern und zu verurteilen, sondern auch bei sich selbstklar zu erkennen, zu verurteilen und zu ahnden.
Wir hoffen, dass die EU sich bewusst geworden ist, dass eine von den USA und anderen Mächten unabhängige Union das Ziel sein sollte. Unsere Sicherheit und unsere Zukunft dürfen nicht von unzuverlässigen Partnern abhängen!
Beschluss der JEF Deutschland zur europäischen Armee (2015): https://www.jef.de/dokumente/europaeische-armee/
Pressemitteilung der Europäischen Kommission zur neuen transatlantischen Agenda: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_20_2279