Der 25. November ist seit 1960 der internationale Tag gegen Gewalt an Frauen. Jedes Jahr erinnert dieser Tag an die von Gewalt betroffenen Frauen auf der ganzen Welt. Die Vereinten Nationen legten diesen Tag 1960 fest, als drei Schwestern in der Dominikanischen Republik aufgrund ihres politischen Widerstands nach monatelanger Folter ermordet wurden. Auch heute sind in Europa noch immer viele Frauen von Gewalt betroffen. Dabei gibt es Gewalt gegen Frauen in verschiedenen Formen. Diese reichen von psychischer Gewalt über Belästigung, und sexuelle Belästigung bis zu physischer Gewalt, Zwangsheirat, Zwangsabtreibung, Zwangssterilisation, Genitalverstümmelung und Ehrenmorde. Das Ausmaß und die Vielfalt von Gewalt gegenüber Frauen ist allerdings momentan noch durch keine gesamteuropäische Datenlage ausreichend bekannt.
Zahlen von Delikten im Rahmen von Partnerschaftsgewalt in Deutschland
Die meiste Gewalt erfahren Frauen in partnerschaftlichen Beziehungen sowie bei Trennungen. Dabei sind die Gewaltopfer in allen Altersklassen und Gesellschaftsschichten wiederzufinden, wie eine Studie von 2014 ergab. Jeden Tag kommt es in Deutschland zu einer Tötung oder versuchten Tötung von Frauen durch ihren Partner oder Expartner. Dabei steigen die Zahlen der Opfer von Jahr zu Jahr deutlich an. Laut der Kriminalstatistischen Auswertung wurden 2019 insgesamt 141.792 Opfer vollendeter und versuchter Delikte im Rahmen von Partnerschaftsgewalt erfasst, wobei die Dunkelziffer wesentlich höher sein dürfte. 98,1 Prozent davon waren Frauen. Neben Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und sexuelle Übergriffe, Stalking, Bedrogung und Nötigung wurden an Frauen 301 versuchte und 117 vollendete Tötungsdelikte registriert. Seit den Corona bedingten Einschränkungen haben die Gewalttaten vermutlich noch weiter zugenommen, da seit dem Ausbruch deutlich mehr Anrufe beim Hilfetelefon “Gewalt gegen Frauen” eingegangen sind.
Strafrechtliche Verfolgung bleibt auf der Strecke
Expert*innen schätzen, dass viele Übergriffe nicht zur Anklage kommen, da sich Opfer häufig scheuen, gegen ihre Partner oder Expartner vor Gericht zu ziehen und gegen ihn auszusagen. Wird gerichtlich gegen den Täter vorgegangen, fällt das Urteil häufig ernüchternd aus. Der deutsche Jurist*innenbund beklagt, dass viele Richter nicht in der Lage sind, die Situationen richtig einzuschätzen und damit umzugehen, da viele der Meinung sind, es handele sich um private Streitigkeiten und wollen sich dann lieber nicht einmischen. Bei Tötung in Folge einer Trennung wird außerdem zu oft entschieden, dass es sich nicht um niedere Beweggründe handelt und stattdessen nachvollziehbare Gründe für die Tat im Beziehungsgeflecht zwischen Gewalttäter und Gewaltopfer bestehen. Hinzu kommt, dass immer weniger Plätze in Frauenhäusern verfügbar sind, sodass Frauen, die Schutz vor partnerschaftlicher Gewalt suchen, diesen Zufluchtsort oft nicht nutzen können.
Gewalterfahrungen von Frauen in Europa
Die Europäische Union führte die bisher größte Erhebung zu Gewalt gegen Frauen auf europäischer Ebene im Jahre 2014 durch. Dabei wurden in allen 28 Mitgliedsstaaten 42.000 Frauen zu ihren Erfahrungen zu Gewalt ab dem 15. Lebensjahr befragt. Die Befragung zeigt, “dass jede dritte Frau nach ihrem 15. Lebensjahr in irgendeiner Form Opfer von physischer und/oder sexueller Gewalt wurde. Jede zehnte Frau hat seit ihrem 15. Lebensjahr sexuelle Gewalt erlitten und jede zwanzigste wurde vergewaltigt. Etwas mehr als eine von fünf Frauen hat körperliche und/oder sexuelle Gewalt von einem gegenwärtigen oder früheren Partner erfahren und 43 % der Frauen haben innerhalb einer Beziehung irgendeine Form von psychisch missbräuchlichem und/oder kontrollierendem Verhalten erlitten. Auch die Todesfälle, die im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt stehen, liegen bei 7 Todesopfern pro Tag” (Gewalt gegen Frauen in der EU, S.2f.)
Ein großes Problem zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen ist, dass es auf europäischer Ebene noch keine gemeinsame Definition von Gewalt gegen Frauen gibt und auch die unterschiedliche Datensammlung in den Mitgliedstaaten das Vergleichen von Daten erschwert. Die vom Europarat ausgefertigte Istanbul-Konvention von 2011 war ein wichtiger Schritt gegen die Bekämpfung jeglicher Form von Gewalt an Frauen vorzugehen, wozu sich auch alle Mitgliedstaaten bekannten und sich zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häulicher Gewalt verpflichten. Jedoch haben nicht alle Länder in der Europäischen Union die Istanbul-Konvention ratifiziert.
Europaweite Lösungsstrategien
Um so wichtiger scheint es, dass es EU-weit Hilfs- und Beratungsangebote für Frauen gibt, die Opfer von Gewalt sind. Ein gutes Beispiel ist das Hilfetelefon “Gewalt gegen Frauen”, welches seit 2013 das ganze Jahr über deutschlandweit rund um die Uhr kostenfrei erreichbar ist. Hier können sich betroffene Frauen anonym Hilfe holen und beraten lassen. Unter dieser Nummer sollen nun auch europaweit Frauen, die Gewalt erfahren haben, Hilfe bekommen. Dafür sprach sich eine Mehrheit der Gleichstellungsminister*nnen auf einer im November 2020 stattgefundenen Sitzung aus. Weitere gemeinsame Projekte zur Bekämpfung von Gewalt sollen folgen. Eine Ausweitung der Angebote für die Opfer von Gewalt in allen EU-Mitgliedstaaten sowie die flächendeckende Umsetzung von Präventivmaßnahmen für potenzielle Täter, die sich etwa in Finnland etabliert haben, stellen die nächsten große Schritte dar, die gegangen werden müssen, um Gewalt europaweit zu bekämpfen. Wichtig ist, dass sich die EU zügig über eine einheitliche Strategie zur Bekämpfung von Gewalt einig wird, um die Opferzahlen in Zukunft so gering wie möglich zu halten. Dazu gehört auch die Anerkennung des Zusammenhangs zwischen direkter und struktureller Gewalt, wobei die letztere gesellschaftliche, wirtschaftliche oder kulturelle Strukturen oder Bedingungen umfassen und Einzelpersonen sowie Personengruppen benachteiligen, wie unter anderem der Frauen gegen Gewalt e.V. darlegt.