Martigues. Es lässt sich nicht leugnen… der Herbst hat Einzug gehalten. Zeit also, um seinen WhatsApp-Status in Herbstlaub und #autumnvibes 🍂 🍁 zu ändern, eine Mütze aufzusetzen und sich zu fragen, wo eigentlich der Sommer geblieben ist. Die Pandemie hat wohl für alle die Jahreszeit verändert, die sonst von Sonne und Reiseplänen geprägt ist. Für mich jedenfalls kam eine Auslandsreise im Corona-Sommer nicht in Frage. Nach Monaten im Lockdown war mir die Vorstellung in einem Flugzeug mit potenziellen Virusträger*innen zu sitzen doch arg unheimlich.
Und dabei liebe ich es eigentlich zu verreisen. Zu gerne hätte ich mich doch in eine Maschine gesetzt und wäre dann am Flughafen in Marignane in der Provence gelandet. Es mag albern klingen, aber nichts fühlt sich für mich mehr nach Urlaub an als Hitze, das Zirpen von Grillen und der Geruch der Kräuter, für die diese Gegend berühmt ist. Schon als ich zum ersten Mal mit meinen Eltern in Südfrankreich war, faszinierte mich aber auch die atemberaubend schöne Landschaft und das obwohl ich wirklich mehr Citygirl als Naturliebhaberin bin.
2012 durfte ich bei einem Austausch drei Monate lang inmitten in der Provence leben. Wenn die Fahrt im Schulbus am Meer und malerischen Klippen vorbeiführt, fragt man sich dann doch, ob man nicht vielleicht auswandern und dem Nieselregen in Norddeutschland entfliehen sollte. Meine Austauschschülerin sagte allerdings, irgendwann würde man den Ausblick gar nicht mehr beachten, was ich damals ziemlich deprimierend fand. Mittlerweile glaube ich, dass sie recht hat. Man weiß die Vorzüge der eigenen Region nie genug zu schätzen.
Zur Schule gegangen bin ich damals übrigens in Martigues. Dort habe ich nicht nur viel über deutsch-französische Freundschaft und das Schulsystem in Frankreich gelernt, sondern auch, dass diese Stadt wegen ihrer vielen Brücken das Venedig der Provence genannt wird. Hübsch ist Martigues allemal und lohnt einen Besuch.
Noch lieber ist mir allerdings Avignon mit seinen kleinen Gassen und dem alljährlich stattfindenden Künstlerfest. In jeder Ecke gibt es dann Musik, Vorführungen und andere Straßenkunst. Großartig. In Aix en Provence hätte ich gerne mal wieder den Buchladen besucht, in dem ich schon so einige Stifte, Bücher und Lesezeichen erstanden habe. Les Baux ist auch so ein zauberhaftes Städtchen. In den dortigen Carrières de lumières hätten mich dieses Jahr mit einem Beamer an die Wand geworfene Werke von Dalí erwartet. Eine coolere Location für Kunst als diese Höhlen kann ich mir übrigens schwerlich vorstellen.
Natürlich wäre ich nach einem Ausflug im Café de la Fontaine eingekehrt, wo man an einem lauschigen Abend draußen sitzend einen leckeren Burger genießen kann, falls die berühmte französische Küche einem dann doch zu experimentell ist. Ich wäre aber auch gerne gewandert. An den Ockerfelsen von Roussillion und dem Aquädukt Pont du Gard. Und natürlich hätte ich wieder hunderte Fotos im Lavendelfeld des Abbaye de Sénanque gemacht und in dessen Souvenirshop ein Notizbuch für mich und Lavendelseife als Mitbringsel gekauft.
Ich sehe das alles vor mir, weil ich das Privileg habe, schon mehrmals dort gewesen und auch sonst mit meiner Familie viel gereist zu sein. Ein Jahr ohne Reise in die Ferne war so für mich kein allzu herber Schlag. Ich konnte ja von Erinnerungen zehren.
Nächstes Jahr, wenn dann hoffentlich alles wieder einfacher wird, werde ich trotzdem wieder meinen Koffer packen. Kopenhagen habe ich nämlich noch nicht gesehen und meine Neugier auf andere Länder stirbt neben der Hoffnung auf ein Ende der Pandemie zuletzt.
Von Lara Weber