Nachhaltiges Reisen und die deutsche Ratspräsidentschaft

Was hat nachhaltiges Reisen eigentlich mit der deutschen Ratspräsidentschaft zu tun?

In der Sommerpause möchten wir diesen Beitrag im Rahmen unserer Ratskampagne einem zur Jahreszeit passenden und spannenden Thema widmen: Nachhaltiges Reisen.

Nachhaltigkeit als Thema der deutschen Ratspräsidentschaft

Im Programm für die deutsche Ratspräsidentschaft „Gemeinsam. Europa wieder stark machen“ werden die Ziele für ein nachhaltiges Europa dargelegt. So möchte Deutschland in den sechs Monaten beispielsweise die Implementierung des Green Deals begleiten sowie ein europäisches Klimagesetz mit dem Ziel der Klimaneutralität der EU bis 2050 im Rat erreichen. Die Kernelemente der Ratspräsidentschaft, die an der Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen ausgerichtet ist, sind demnach eine ambitionierte Klima-, Umwelt- und Biodiversitätsschutzpolitik und eine nachhaltige Landwirtschaft und Fischerei. Besonderer Fokus liegt auf der Schaffung einer klimafreundlichen und nachhaltigen Mobilität.

Auch wenn nachhaltiges Reisen im Programm der Ratspräsidentschaft nicht namentlich erwähnt wird, betrifft es doch viele Bereiche – insbesondere die Ratspräsidentschaft selbst. Diese soll laut einer Pressemitteilung des Bundesumweltministeriums vom 13. Juli klimaneutral und nachhaltig ausgerichtet sein, was vor allem die Veranstaltungen im Rahmen der Ratspräsidentschaft (rein vegetarisches Catering, Veranstaltungslocations mit Ökostrom, Abfallmanagement), aber eben auch die Reisen während der Präsidentschaft betrifft. Die durch Reisen zu Veranstaltungen entstehenden Emissionen, so das Bundesumweltministerium, sollen, sofern sie nicht vermieden werden können, kompensiert werden.

Der European Green Deal, dessen Implementierung im Fokus der Präsidentschaft steht, ist in Bezug auf nachhaltige Mobilität konkreter: die verkehrsbedingten Emissionen durch Autos, Züge, Flüge und Schiffe sollen bis 2050 um 90% gesenkt werden, um dem Ziel von Klimaneutralität einen großen Schritt näher zu kommen. Zu nachhaltigem Reisen und nachhaltigem Tourismus gehört aber wesentlich mehr als Mobilität.

Zahlen & Fakten zu Tourismus (in der EU)

Weltweit wurden im Jahr 2018 1,4 Milliarden Auslandsreisen unternommen. Dies ergibt im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg von 6%.  EU-Einwohner*innen verreisten in dem Jahr mindestens einmal privat. Auch uns JEFer*innen aus Niedersachsen fehlt das Reisen im Corona-Sommer. Unser Fernweh teilen wir mit euch  in unserer „Wenn nicht Corona wäre, würde ich am liebsten reisen nach…“-Reihe (schaut hier vorbei!). Laut dem Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft ist die EU die meist besuchteste Reiseregion. Ganze 1.276 Milliarden Euro werden innerhalb der EU-Staaten in der Tourismusbranche umgesetzt und ist damit ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftszweig. Reisen prägt unser Leben und betrifft uns alle.

Die Kehrseite des Tourismus

Die positive Seite von Tourismus ist bekannt: er schafft Arbeitsplätze, kurbelt die Wirtschaft an und kann zur Völkerverständigung beitragen. In den letzten Jahren ist jedoch das Bewusstsein für die teils sehr schlechte Klimabilanz des Tourismusgeschäftes in Europa und weltweit mit zunehmend öffentlicher Aufmerksamkeit für globale Klimabewegungen wie FridaysForFuture gestiegen. Die mediale Berichterstattung ist in dem Kontext verstärkt worden und reicht vom sogenannten „Flight-Shaming“ bis hin zu Protestaktionen wie den Blockaden von einlaufenden Kreuzfahrtschiffen bspw. in Venedig. Kreuzfahrten bringen gleich mehrere Probleme mit sich: zum einen tragen sie stark zur Verschmutzung von Luft und Wasser bei, da auf See Schweröl als Kraftstoff eingesetzt wird. Zum anderen machen Niedriglöhne und Ausbeutung sowohl in den Zielländern als auch an Deck Kreuzfahrten zu einer unfairen Art des Reisens. Mit Flugtourismus sieht es kaum besser aus. Der Anteil der Luftfahrt an den weltweiten CO2-Emissionen liegt Schätzungen zufolge bei etwas mehr als 2 Prozent. Hinzu kommen weitere Emissionen wie Stickoxid und Wasserdampf, die zur Erderwärmung beitragen. So kann der Flugbranche einen Anteil von ca. 5 Prozent im Hinblick auf den Klimawandel zugeschrieben werden. Auch wenn mittlerweile immer mehr Passagiere ihren CO2-Ausstoß kompensieren, das heißt Beträge für Klimaschutzprojekte entrichten, kann allein dadurch Klimaneutralität beim Fliegen nicht erreicht werden.

Eine weitere gefährliche Entwicklung von Tourismus ist der sogenannte „Overtourism“. Dies beschreibt das Phänomen, dass einige Urlaubsorte quasi von Urlauber*innen überlaufen werden, obwohl die Städte und Regionen für diese Menschenmengen nicht ausgelegt sind. Wenn die Urlauber*innen dann auch noch in Resorts mit Vollverpflegung oder im Falle des Kreuzfahrttourismus nur für einen Landgang in einer Stadt oder Region sind, ist die Beteiligung dieser Regionen an der Wertschöpfung sehr gering. Kritisch ist auch, wenn bereits heute durch den Klimawandel bedrohte Gebiete besonders oft bereist werden, da diese bald nicht mehr zu besichtigen sein werden, wie es beispielsweise bei Gletschern der Fall ist. Solche Formen von Tourismus beschleunigen das Verschwinden von Naturphänomenen zusätzlich.

Was kann man tun?

Reisen ist unglaublich bereichernd. Um nicht darauf verzichten zu müssen, braucht es neue Ideen, die Urlaub in nahen und fernen Ländern nachhaltiger machen, denn nur so können auch zukünftige Generationen noch in den Genuss der Schönheit unserer liebsten Touristenziele kommen. Im Folgenden haben wir ein paar Tipps für euch zusammengestellt, wie ihr nachhaltiger reisen könnt! (Dies ist nur eine Auswahl und natürlich gibt es noch ganz viel mehr.) 

  • Im eigenen Land verreisen! Auch Deutschland hat wunderschöne Ecken, die meist mit dem Zug, Bus oder auch mit dem Pkw erreicht werden können.
  • Weitestgehend auf Flugreisen verzichten, vor allem innerhalb Deutschlands und Europas. Oft gibt es für junge Leute auch super Zugangebote (z.B. Interrail), sodass ihr in Europa ganz einfach mit dem Zug von A nach B kommt. Es gibt mittlerweile sogar Reisebüros, die sich auf Zugreisen spezialisiert haben. So kann die Anreise schon zu einem Erlebnis werden!
  • Wenn ihr doch mal etwas weiter weg fliegt oder der Zug einfach keine Option ist, könnt ihr den Flug bei verschiedenen Portalen und Anbietern im Nachhinein kompensieren oder direkt bei der Buchung einen Klimaschutzbeitrag leisten.
  • Stellt euch die Frage: Wie nachhaltig ist mein Hostel? Wird auf Mülltrennung geachtet? Schon vor der Buchung könnt ihr nachschauen, ob die Unterkunft über Nachhaltigkeitszertifikate verfügt oder es kleine lokale Anbieter gibt, die auf Nachhaltigkeit achten.
  • Versucht vor Ort regional zu konsumieren und den lokalen Handel zu unterstützen. Nur so kann Tourismus in diesen Regionen wirklich zum Wohlstand beitragen.
  • Nutzt vor Ort, wenn möglich, den öffentlichen Personennahverkehr. Das kann sehr lustig sein, ihr kommt näher mit Einheimischen in Kontakt und tragt ganz nebenbei aktiv zum Klimaschutz im Urlaubsort bei.
  •  Achtet vor Ort auf eure eigene Müllproduktion: nehmt Brotdosen, Coffee-To-Go Becher, wiederauffüllbare Trinkflaschen etc. mit und lasst keinen Müll am Strand oder auf dem Wanderweg liegen.

Eins ist sicher: die Tourismusbranche wird in den nächsten Jahren weiter wachsen! Umso wichtiger ist es, dass wir uns alle überlegen, wie wir unseren kleinen Teil zu einem nachhaltigen Wandel beitragen können. Wenn du das Thema nachhaltiges Reisen genauso spannend findest wie wir oder weitere Tipps hast, schreib einen Kommentar oder schick uns eine Mail


Quellen
  1. https://www.iwd.de/artikel/tourismus-in-europa-454841/
  2. https://www.boell.de/de/nachhaltiger-tourismus
  3. https://www.bmu.de/pressemitteilung/deutschland-wird-seine-eu-ratspraesidentschaft-klimaneutral-und-nachhaltig-ausrichten/
  4. https://www.reiseratgeber24.de/weltenbummler/nachhaltiger-tourismus-europas-umweltfreundlichste-staedte/29570/
  5. https://ec.europa.eu/regional_policy/de/policy/themes/tourism/
  6. https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=Tourism_statistics/de
  7. https://www.dw.com/de/der-klimawandel-und-das-fliegen/a-42094220
  8. Hermann, Frank (2018). FAIRreisen – Das Handbuch für alle, die umweltbewusst unterwegs sein wollen.

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